Chasing gravity waves

Jagd auf Gravitationswellen

Ende 2001 nehmen sie ihren Messbetrieb auf: die ersten Antennen für Gravitationswellen aus dem All. An mehreren Orten auf der Erde sollen die zum Teil Kilometer großen Anlagen Signale von gewaltigen kosmischen Ereignissen auffangen - wie kollabierenden Sternen, kollidierenden schwarzen Löchern oder vom Beginn der Welt im Urknall.

Bild-Quelle: Werner Benger / ZIB, AEI/ Spektrum

Von Georg Wolschin

Am 22. Juni 1916 überreichte in der Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften - gleich nach einem Vortrag von Herrn Haberlandt über "Laubblattepidermis und Lichtperzeption" - Albert Einstein eine Mitteilung über die "näherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation". Der Gelehrte vom Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik zeigte in § 2 dieser Arbeit mit Hilfe seiner allgemeinen Relativitätstheorie, dass sich Gravitationsfelder stets mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen. Dann berechnete er in § 3 den "Energieverlust körperlicher Systeme durch die Abstrahlung von Gravitationswellen".

Eineinhalb Jahre später modifizierte Einstein diese Arbeit durch die Erkenntnis, dass ein "... mechanisches System, welches Kugelsymmetrie behält, nicht strahlen kann", und leitete statt dessen für die Abstrahlung die sogenannte Quadrupolformel her. Die grundsätzliche Vorhersage, dass bei starker Beschleunigung kosmischer Massen unter bestimmten Voraussetzungen Gravitationswellen entstehen, blieb jedoch bestehen.

Seitdem wartet die wissenschaftliche Welt auf den Nachweis von Gravitationswellen - während es für elektromagnetische Wellen von Radio- bis Gammastrahlung seit langem schon hochentwickelte Empfänger gibt, die uns präzise Erkenntnisse über Struktur und Entwicklung des Universums liefern. Eine künftige Astronomie mit Gravitationswellen würde es ermöglichen, Signale ganz neuer Art zu empfangen - beispielsweise vom Verschmelzen massereicher schwarzer Löcher im Innern von Galaxien, oder sogar aus den ersten Sekundenbruchteilen des Urknalls. Die heute im Mikrowellenbereich empfangene elektromagnetische kosmische Hintergrundstrahlung wurde erst 300 000 Jahre nach dem Urknall freigesetzt. Kosmische Hintergrundstrahlung aus Gravitationswellen würde dagegen aus einer wesentlich früheren Phase des Urknalls stammen und damit zum Zeugen vom Anfang der Zeit.

Die Existenz von Gravitationswellen wurde zeitweilig selbst von berühmten Kollegen Einsteins in Zweifel gezogen. So glaubte der britische Physiker Sir Arthur Eddington, diese exotischen Wellen seien unecht und "bewegten sich mit der Geschwindigkeit von Gedanken". Einstein selbst dachte 1937 für kurze Zeit, dass die strengen relativistischen Feldgleichungen im Gegensatz zu seiner näherungsweisen Lösung aus dem Jahre 1916 die Existenz von Gravitationswellen doch nicht zuliessen. Diesen Irrtum korrigierte er jedoch noch im selben Jahr - vor der Publikation einer Arbeit über zylindrische Gravitationswellen mit Nathan Rosen.

Den experimentellen Nachweis der extrem schwachen Wellen hielt Einstein angeblich für aussichtslos. ((In den 1916/17er Arbeiten über Grav.wellen habe ich nach dem entsprechenden Zitat gesucht und es nicht gefunden. Kennen Sie es womöglich? Auch Rainer Weiss sagte mir, er hätte in den Originalarbeiten vergeblich danach gesucht, obwohl es in der Sekundärlit. immer behauptet wird)).

Kein Wunder: Im Labor ließen sich Schwerewellen auch heute weder erzeugen noch nachweisen. Ein Beispiel: Zwei Kugeln von je einer Tonne Gewicht, die in einem Meter Abstand 500mal pro Sekunde gegeneinander schwingen, erzeugten nur unmeßbar schwache 10^-40 Watt. Selbst der größte Planet im Sonnensystem, Jupiter, strahlt bei seinem Umlauf um die Sonne - bei Wellenlängen von einigen Lichtjahren - Gravitationswellen mit nur einem Kilowatt Leistung ab.

Gravitationswellen verzerren die Raumzeit.

Bildquelle: Peter Aufmuth / Spektrum

Anfang der 1960-er Jahre machten dann die Pionierarbeiten des amerikanischen Physikers Joseph Weber Ernst mit dem Versuch, Gravitationswellen experimentell nachzuweisen. Als "Gravitationsantennen" konstruierte er 1,5 Tonnen schwere mechanische Zylinder aus Aluminium in Maryland und Chicago. Trifft eine Gravitationswelle auf diese Objekte, werden sie mit ihrer Grundschwingung (oder einer Oberschwingung) zur Resonanz angeregt. Die oszillierende Längenänderung der Zylinder wird dann mit hochempfindlichen Verstärkern gemessen. Der Nachteil: Mechanische Resonatoren haben nur wenige feste Eigenschwingungs-Moden - ähnlich einem Radio, mit dem man nur ein oder zwei Sender empfangen kann - für andere Frequenzen bleiben sie unempfindlich.

Als Weber 1969 in den "Physical Review Letters" erstmals behauptete, er würde in beiden Detektoren simultan Signale vom Zentrum der Galaxie empfangen ("Koinzidenzmessung"), löste dies einiges Aufsehen aus, blieb aber auch höchst umstritten. Allein der implizierte enorme Energieausstoß im galaktischen Zentrum in Form von Gravitationswellen hätte bedeutet, daß wir in einer sehr speziellen Epoche leben - andernfalls hätte sich allein durch Gravitationswellen- Emission die Ruhemasse unserer Galaxis bereits innerhalb einer Million Jahre in Nichts auflösen müssen. Auch konnte keine andere Forschergruppe, wie etwa am Münchener Max-Planck-Institut für Astrophysik, mit verbesserten Apparaturen die Weberschen Behauptungen bestätigen. Möglicherweise hatte Webers statistisches Analyseverfahren ihm die "Ereignisse" vorgespiegelt.

Inzwischen ist die Technologie dieser heute 1,5 bis 2,3 Tonnen schweren Detektoren, die jeweils auf eine oder zwei bestimmte Frequenzen der Gravitationswellen im Bereich von 700 bis 950 Hertz empfindlich sind, sehr viel weiter fortgeschritten. Mit fünf Resonatoren aus Aluminium oder Niob sucht insbesondere die "International Gravitational Events Collaboration" nach gleichzeitigen Ereignissen. Diese internationale Gruppe von Physikern hält mit ihren Detektorverbund Ausschau nach

o kontinuierlichen Quellen im All, wie zum Beispiel engen, rasch rotierenden Doppelsternsystemen,

o Explosionsprozessen wie etwa den sogenannten Gammastrahlen-Bursts, die auch Kurzpulse von Gravitationswellen ausstoßen sollten, bisher ohne positives Ergebnis.

Von der Konstruktion neuer kugelförmiger, tiefgekühlter Resonatoren für Frequenzen bis vier Kilohertz versprechen sich die Erbauer von Zylinderantennen in der Weberschen Tradition künftig eine wesentliche Steigerung in der Empfindlichkeit und damit in der effektiven Reichweite dieser Teleskope. Mit den älteren Resonatoren war jedenfalls bisher kein Gravitationswellen- Nachweis möglich. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation erschien wie ein Geschenk des Himmels der erste indirekte Nachweis für die Existenz von Gravitationswellen. Die amerikanischen Physikern Russell Hulse und Joseph Taylor entdeckten 1974 Jahren mit dem Arecibo-Radioteleskop auf Puerto Rico einen Pulsar der ganz besonderen Art (siehe J. M. Weisberg, J. H. Taylor, L. A. Fowler "Pulsar PSR 1913 + 16 sendet Gravitationswellen", SdW 12/1981, S.52).

Indirekter Nachweis der Emission von Gravitationswellen aus einem Doppelpulsarsystem

Bildquelle: TH. Braun / Spektrum

Der Pulsar im Sternbild Adler ist Teil eines engen Doppelsternsystems. Als Folge der Abstrahlung von Gravitationswellen sollten Umlaufbahn und Bahnperiode des Neutronensterns stetig schrumpfen; in etwa 240 Millionen Jahren würden die Sterne, wenn die Vorhersage zutrifft, miteinander verschmelzen. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie berechnet sich die Abnahme der Umlaufperiode pro Jahr zu 0,076 Millisekunden. Nach mehrjährigen Messungen konnten Hulse und Taylor 1978 diese Vorhersage mit einer Genauigkeit von 0,5 Prozent bestätigen. Das war der erste indirekte - und bis heute deutlichste - Beweis für die Existenz von Gravitationswellen.

Dem kühnen Vorhaben, Schwerewellen direkt nachzuweisen, gab dies neue Schubkraft. Schon 1970 hatten Rainer Weiss vom Massachusetts Institute of Technology und andere - so der Theoretiker Kip Thorne vom Caltech, der Webers Arbeiten noch als Student in Princeton kennenlernte - ein alternatives Nachweisprinzip vorgeschlagen, auf dem heute alle Hoffnungen ruhen: sogenannte Interferometer, die ein breites Spektrum von Gravitationswellen registrieren können.

Gravitationswellen mit hohen Frequenzen im Kilohertzbereich erwarten die Forscher von explodierenden Sternen ("Supernovae") sowie von Doppelsternen, die in der Endphase ihrer spiralförmigen Annäherung miteinander kollidieren und dann verschmelzen. Wellen mit tiefen Frequenzen im Millihertzbereich sollten von rotierenden schwarzen Löchern und engen Doppelsternsystemen abgstrahlt werden.

Verschmelzende schwarze Löcher.

Visualisierung W. Benger, ZIB

Spiralfoermig verschmelzende Neutronensterne

Bildquelle:W. Benger/ ZIB, AEI, Spektrum

Frequenzspektrum von Gravitationswellen

Bildquelle:ESA / Spektrum

Eine ganze Reihe von Antennen ist derzeit im Bau oder in Planung, die sich jeweils auf Frequenzen oberhalb oder unterhalb von 10 Hertz spezialiseren. An terrestrischen Antennen sind dies für die "hohen Töne" die Projekte Ligo (USA), Virgo (Italien-Frankreich), Tama (Japan) sowie das deutsch-britische Geo 600, das derzeit bei Hannover getestet wird (siehe Tabelle). Gravitationswellen im Niederfrequenzbereich (die tiefen Töne) von 10^-4 bis 10^-1 Hertz sind dagegen nur mit so großen Antennen einzufangen, daß sie nur im Weltraum platziert werden können. Zwar liessen sich die Lichtwege auch auf der Erde im Prinzip durch Faltung der Teilstrahlen in die erforderlichen Bereiche hinein verlängern, jedoch wären Messungen infolge der in diesem Frequenzbereich relativ starken seismischen Störungen unmöglich.

LIGO Gravitationswelleninterferometer in Hanford,USA

Bildquelle: LIGO

Bildquelle: Spektrum d. W.

Ein solches ehrgeiziges Weltraum-Projekt planen derzeit die Weltraumorganisationen Nasa und Esa gemeinsam mit einer Light Interferometer Space Antenna (LISA); ihre drei Satelliten sollen 2010 mit einer Delta II-Rakete gestartet werden.

Während elektromagnetische Wellen sich in Raum und Zeit ausbreiten, verzerren Gravitationswellen die Raumzeit - sie lassen dadurch die Abstände zwischen makroskopischen Körpern oszillieren. Rollt eine Gravitationswelle durch unser Sonnensystem, ändert sie die Entfernung zwischen Sonne und Erde ebenso wie etwa die Abstände zwischen den Satelliten des LISA-Projekts. Allerdings sind die relativen Längenänderungen trotz der enormen freigesetzten Energien von typischen Kilowatt pro Quadratmeter extrem klein: Selbst von stellaren Implosionen erreichen sie beim Verhältnis Längenänderung zu Gesamtlänge einer Antenne einen Zahlenwert von 10^-18, typisch sind eher 10^-21. Eine Antennenlänge von drei Kilometern (wie bei der Länge der italienischen Virgo-Antenne) ändert sich also maximal um ein Tausendstel eines Protonendurchmessers. Derartig kleine Entfernungsänderungen zwischen Testmassen zu registrieren stellt extreme Anforderungforderung an die Messtechnik. Mit Hilfe der Laser-interferometrie hofft man jedoch, das Ziel zu erreichen.

Um den Effekt zu optimieren, versuchen die Forscher, ihre Antennen so groß wie möglich zu bauen. Wegen der Erdkrümmung lässt sich die ideale Länge - eine halber Gravitationswellenzug entspricht mehreren hundert Kilometern - nicht realisieren. Deshalb "faltet" man die Laserstrahlen in den bis vier Kilometer (Ligo) langen L-förmigen Interferometer-Armen mit Spiegeln mehrfach und vergrößert so die Lichtwege; alternativ verwenden die deutschen Forscher beim nur 600 Meter langen Geo 600 eine sogenannte Signal-Recycling-Technik. Ein halbdurchlässiger Spiegel im Zentrum der Anordnung sorgt für senkrecht zueinander verlaufende Teilstrahlen gleicher Intensität in den beiden Armen. Bei jedem Hin- und Herlauf erreicht Licht aus beiden Armen den Photodetektor, wobei sie sich überlagern (interferieren). Die Anordnung wird so justiert, dass sich die Teilstrahlen normalerweise gegenseitig auslöschen: Verformt jedoch eine Gravitationswelle einen der Arme (dehnt oder staucht), so dass sich die Lichtwege in beiden Armen nun unterscheiden, verändert sich das Interferenzmuster. Aus dem winzigen Laufzeitunterschied läßt sich die Differenz der Längenänderung in den zwei Antennenarmen ablesen.

Mit einer ähnlichen Anordnung hatten die amerikanische Wissenschaftler Albert Michelson und Edward Morley in den Jahren 1881 bis 1887 nachgewiesen, dass die Lichtgeschwindigkeit in Richtung der Erdbewegung und senkrecht dazu gleich ist. Dieses Ergebnis löste einige Zeit später eine Revolution in der Wissenschaft aus. Es widerlegte die damals noch gebräuchliche Äthertheorie und brachte Einstein 1905 dazu, seine spezielle Relativitätstheorie auf der Annahme einer stets konstanten Lichtgeschwindigkeit aufzubauen. Der Nachweis von Gravitationswellen mit einer ähnlichen Methode, jedoch mit modernster Technik, wäre ein vergleichbar revolutionäres Resultat.

Spiegel und Installation der Schwingungsisolation von Geo 600

Bildquelle: MPG, MPQ, Karsten Danzmann

GEO 600 - getragen vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Universität Hannover - hat bereits seinen Testbetrieb aufgenommen und soll noch 2001 mit den Beobachtungen beginnen. Auf der Expo 2000 ist diese Anlage etwa 20 Kilometer südlich von Hannover diesen Sommer der Öffentlichkeit präsentiert worden. Zunächst am MPI für Astrophysik und später am MPI für Quantenoptik in Garching waren ab 1975 kleinere Prototypen mit zunächst drei, ab 1983 dann 30 Metern Armlänge untersucht worden. In Glasgow hatten im Jahre 1977 am Department für Physik und Astronomie der Universität Glasgow ähnliche Untersuchungen begonnen; dort testete Ron Drever ab 1980 einen 10-Meter-Prototyp.

Im Jahre 1989 starteten Wissenschaftler aus Großbritannien und Deutschland gemeinsam das Projekt "Geo". Außer den Finanzen war anfangs auch der Standort strittig. Zunächst wurde ein Gelände im Harz auserkoren für ein Interferometer mit Armlängen von je drei Kilometern, was aber 1991 aus Kostengründen zurückgestellt wurde. Verwirklicht wurde schließlich eine bescheidenere Variante mit je 600 Metern Armlänge. Mit dem Bau wurde im September 1995 auf einem flachen Gelände bei Hannover begonnen. Durch zwischenzeitliche technologische Fortschritte und ganz neue optische Konzepte liess sich die - aufgrund der kürzeren Armlänge - verminderte Empfindlichkeit wieder auf die ursprünglich vorgesehenen Werte anheben.

Die optischen Komponenten der von Wissenschaftlern und Technikern um Karsten Danzmann gebauten Anlage sind aus speziellem synthetischen Quarzglas gefertigt; auch die Spiegel mit jeweils 25 Zentimetern Durchmesser sind an hauchdünnen Quarzfäden aufgehängt. Mit bloßem Auge sind sie kaum zu erkennen. Der Innenbereich des Zentralgebäudes wurde wie in einem Labor der Mikroelektronik als ein Reinraum ausgelegt, so dass die hochempfindliche Optik nicht verunreinigt wird. Herzstück der Anlage ist ein Neodym-YAG-Laser, dessen Leistung von 10 Watt bei einer Wellenlänge von 1,064 Mikrometern (Infrarotbereich) durch ein sogenanntes Power-Recycling auf bis zu 10 Kilowatt verstärkt wird. Die scharf gebündelten Strahlen werden durch weitgehend luftleere Edelstahl-Röhren mit 60 Zentimetern Durchmesser geschickt. Das Ultrahochvakuum wird durch spezielle Turbo-Molekularpumpen erzeugt und aufrechterhalten, deren Rotoren magnetisch gelagert sind und deshalb praktisch erschütterungsfrei arbeiten. Wie beim Michelson-Interferometer zerlegt ein halbdurchlässiger Spiegel als Strahlteiler den Laserstrahl in zwei senkrecht zueinander verlaufende Teilstrahlen, die in die beiden Interferometer-Arme gelenkt werden, und von den Spiegeln, die an den jeweiligen Röhrenenden hängen, reflektiert werden. Laufzeitunterschiede aufgrund von Längenänderungen der Interferometer-Arme, wie sie eine Gravitationswelle auslösen soll, machen sich dann im Interferenzmuster an der Position des Strahlteilers bemerkbar. Da 600 Meter Armlänge nicht die Länge eines halben Wellenzuges erreichen, haben sich die Geo-Forscher- anders als seinerzeit beim Garchinger Prototyp, wo die Teilstrahlen noch vielfach gefaltet wurden - ein anderes Verfahren ausgedacht, das sogenannte "Signal Recycling":

Im Normalfall wird die Messvorrichtung so eingestellt, daß die Lichtstrahlen, wenn sie zum Ausgangspunkt zurückkommen, einander auslöschen. Sobald nun eine Gravitationswelle auf die Antenne trifft, zeigt die Anlage ein Signal an, das um die Frequenz der Gravitationswelle verschoben ist. Dieses Licht wird jetzt mit Spiegeln am Interferometer-ausgang reflektiert und beim bis zu tausendfachen Hin- und Herlaufen in den Interferometer-Armen verstärkt, so dass ein deutliches Signal entsteht.

GEO 600 ist mit dieser technischen Ausstattung für Gravitationswellen von 50 Hertz bis zu 1,5 Kilohertz empfindlich; gleichzeitig ist es optimal gegen seismische Vibrationen, das Wetter und andere störende Einflüsse isoliert. Um möglichst vollständige Informationen über Gravitationswellen auf der Erde zu empfangen - dazu gehört ausser der Position der Quelle auch die Polarisation der Strahlung - müssen Daten von mindestens vier Detektoren miteinander verglichen werden. Aus diesem Grund arbeitet das Geo-Team mit den anderen Gruppen in den USA (Ligo), Italien/Frankreich (Virgo) und Japan (Tama) eng zusammen. Das französisch-italienische Virgo-Projekt wird derzeit bei Pisa errichtet; dessen je drei Kilometer lange Vakuumröhren mit 1,2 Metern Durchmesser gehören zu den größten Hochvakuumgefäßen der Welt. Auch die Isolation aller optischen Komponenten in der Anlage gegen seismische und andere Störquellen wird Rekormarken setzen: Die Messumgebung in der Virgo-Antenne wird ruhiger sein als in jedem Raumschiff, das um die Erde kreist.

Urknall-Modell der Entwicklung des Universums, schematisch

Bildquelle: P. Aufmuth / Spektrum

Die beiden, mit 365 Millionen Dollar im Vergleich zu Geo ungleich teureren, großen Ligo-Antennen in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana) sind im November letzten Jahres eingeweiht worden. Nach einer Testphase sollen im kommenden Herbst die Messungen beginnen. Um "falsche" Signale auszuschliessen, müssen beide 3030 Kilometer voneinander entfernten Detektoren in Koinzidenz, das heißt innerhalb von 10 Millisekunden ansprechen. Die Differenz entspricht der Laufzeit der Gravitationswelle zwischen den beiden Detektoren. Ist die Verzögerung größer, sind vermutlich lokale seismische Erschütterungen die Ursache, nicht eine kosmische Quelle.

Außerdem müssen Amplitude und Wellenform in beiden Detektoren so zueinander passen, daß sie von demselben Ereignis herrühren. Zusätzlich hat der Detektor in Hanford eine zweites, separate Antenne von zwei Kilometern Armlänge im selben Tunnel. Dieses Zusatzgerät dient der Kontrolle: Es sollte bei einem echten Ereignis ebenfalls simultan ansprechen, jedoch mit halber Amplitude wie in der großen Schwesterantenne.

Eine Gravitationswelle aus dem All sollte natürlich von allen laufenden Geräten zugleich registriert werden. Innerhalb der Laufzeitdifferenzen sollten sie alle beim Eintreffen eines Signals ansprechen. Bei drei oder mehr gleichzeitigen Ausschlägen separater Detektoren könnte sogar die Position der Quelle am Himmel lokalisiert werden; ansonsten wäre man auf Zusatzindikatoren angewiesen: etwa zur gleichen Zeit eintreffende elektromagnetische Signale in Form von Röntgen- oder Gammastrahlen. Der Ursprung langdauernder periodischer Signale ließe sich dagegen auch mit einem einzigen Detektor lokalisieren. Solche Quellen, etwa enge Doppelsternsystemen, würden ihre Ursprungsrichtung anhand der Signalvariation beim Umlauf der Erde um die Sonne verraten. Für das Nachfolgeprojekt Ligo II sind Steigerungen der Empfindlichkeit für den Zeitraum ab 2005 auch schon ins Auge gefasst. Die an hauchdünnen Fäden - aus Stahl, Quarz oder Saphir - aufgehängten Spiegel sollen dann aus fast reinem Saphir bestehen; sie werden dadurch schwerer und deshalb noch unempfindlicher gegen Schwingungen. Ausserdem leiten Saphirspiegel die Wärme des Laserlichts besser ab als Quarzspiegel, so dass stärkere Laser eingesetzt werden können, was die Empfindlichkeit der Anlage steigert. Schliesslich entwickeln die Geo-Wissenschaftler für Ligo II bereits Spiegelaufhängungen, die ähnlich wie bei Virgo ein Optimum an seismischer Isolation gewährleisten sollen. Für später ist geplant, die Spiegel bis nahe an den absoluten Nullpunkt kühlen.

Für den Empfang der "tiefen Töne" - Gravitationswellen mit einer Frequenz von unter einem Hertz, wie sie von galaktischen Doppelsternen und bei der Kollision von großen schwarzen Löchern emittiert werden - benötigt man jedoch die Weltraumantenne LISA, deren Planung weit fortgeschritten ist.

Umlaufbahn der drei Lisa Satelliten

Bildquelle: ESA / Spektrum

Erdgebundene Detektoren wären als Folge der Störungen durch seismische Bewegungen und das Wetter auch bei hinreichend verlängerten Lichtwegen nicht in der Lage, Gravitationswellen mit Perioden zwischen einigen Minuten und einigen Stunden zu messen. Das Weltraum-Detektorsystem LISA ist derzeit die einzige geplante Weltraummission zur Messung von Gravitationswellen, eine sogenannte "Cornerstone Mission" im Rahmen des Esa-Programms "Horizons 2000". Drei Satelliten, jeder im Orbit 203 Kilogramm schwer, sollen dazu im All wie an den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks mit genau fünf Millionen Kilometern Seitenlänge stationiert werden. Etwa 20 Grad hinter der Erde soll das Trio die Sonne umkreisen. Aus der sich verändernden Lage der Formation beim Sonnenumlauf wird sich die Richtung ermitteln lassen, aus der die Gravitationswellen stammen. Zwischen den drei Satelliten werden die Laserstrahlen hin- und herlaufen und zur Interferenz gebracht. Dies ist die ausgedehnteste Messanlage, die Menschen sich jemals ausgedacht haben.

Lisa Satellit

Bildquelle: ESA / Spektrum

Das Zentrum der Dreierformation liegt in der Ebene der Erdbahn. Im Innern jedes Satelliten "fliegen" zwei würfelförmige Testobjekte aus einer Platin-Gold-Legierung, deren Abstände zu den Testkörpern in den jeweils anderen Satelliten bestimmt werden. Dazu wird jedes Raumschiff zwei Laser mit 1,06 Mikrometern Wellenlänge und einem Watt Ausgangsleistung enthalten sowie zwei 30-Zentimeter-Teleskope. Diese werden auf die beiden anderen Raumschiffe ausgerichtet und das Laserlicht auf die jeweiligen Testmassen lenken. Trifft eine Gravitationswelle auf die drei Satelliten, verändert sie die Abstände zwischen den Testmassen. Das Signal zeigt sich dann, ähnlich wie bei den irdischen Antennen, durch eine Veränderung im Interferenzmuster des Laserlichts. Die Genauigkeit, mit der solche Abstandsänderungen meßbar sein werden, erreicht Pikometer (10^-12 Meter); das ist etwa ein Millionstel der Wellenlänge des Laserlichts: Nahezu unglaublich - jedoch wurden mit terrestrischen Detektoren bereits hunderttausendfach kleinere Abstandsänderungen gemessen.

Ein Problem wird der Sonnenwind sein, der die Satelliten ständig aus ihrer Bahn drängt und somit Störungen verursacht. Um die gewünschte Messgenauigkeit zu erreichen, müssen sie aber dennoch mit größter Präzision auf die Testmassen zentriert bleiben. Aus Sicht der Projektingenieure werden extrem ruhig laufende, stufenlos regulierbare Mikrotriebwerke die Positionen auf 10 Nanometer (10^-8 Meter) genau stabil halten können.

Die genaue Ausstattung von LISA wird bis zum geplanten Start im Jahre 2010 natürlich den technologischen und astronomischen Fortschritten angepasst. Folgende Verbesserungen werden derzeit noch diskutiert: Man könnte die Mission mit kürzeren Armen starten, um sich zunächst auf die Quellen im Frequenzbereich von 0,1 bis 1 Hertz zu konzentrieren. Oder man könnte während der Mission die Arme mit dem gleichen Ziel verkürzen. Ein solches Instrument könnte beispielsweise Systeme eng benachbarter schwarzer Löcher registrieren, deren darauffolgende Verschmelzung wenige Wochen später durch erdgebundene Antennen bei höheren Frequenzen messbar werden sollte. Eine gewagtere OMe?ption Strong LISA sieht vor, mit 10 Watt wesentlich stärkere Laser sowie größere Teleskope einzusetzen - was aber eine stärkere Energieversorgung erfordern würde. Schließlich denken die Esa/Nasa-Forscher daran, zwischen die drei LISA-Satelliten ein viertes Raumschiff einzusetzen, um so zwei weitgehend unabhängige Interferometersysteme zu erhalten - was die Messleistung weiter erhöhen würde. Möglicherweise wird LISA zunächst drei Jahre in der Basiskonfiguration betrieben und dann die vierte Station in Sonnenumlauf geschossen.

Dass mit LISA der Nachweis von niederfrequenten Gravitationswellen gelingt - davon sind die beteiligten Wissenschaftler überzeugt. Ob auch die Gravitationswellen messbar sein werden, die uns direkt vom Urknall erreichen, wird vorläufig offen bleiben müssen. Als kosmische Hintergrundstrahlung ganz anderer Art sind diese Wellen heute so schwach und langwellig, daß nur die bestmögliche Messanlage von LISA-Typ sie einfangen kann. Sie zu "hören", würde einen Traum der Kosmologen erfüllen.

Kollidierende Neutronensterne

Bildquelle: W. Benger / ZIB, AEI

Literaturhinweise:

Gravitationswellen - ein neues Fenster zum Universum. Peter Aufmuth und Albrecht Rüdiger, Physik in unserer Zeit, 31. Jg., 2000, Nr. 1, S. 14.

Pulsar PSR 1913+16 sendet Gravitationswellen. J.M.Weisberg, J.H. Taylor, L.A. Fowler, Spektrum der Wissenschaft 12 (1981) 52 V.

The Search for Gravity Waves. P.C.W.Davies, Cambridge University Press, 1980.

Torsten Fliessbach: Allgemeine Relativitaetstheorie, Spektrum Akadem. Verl., 1995 (ISBN 3-86025-685-8)

B. F. Schutz: A First Course in General Relativity, Cambridge Univ. Press 1985 (ISBN 0-521-27703-5)

Einige online-Referenzen:

Physikjahr

LIGO

Virgo

VIRGO

Tama

LISA

LISA-Symposium

Siehe Heft 12/2000 von Spektrum d. Wissenschaft (title) für den vollständigen illustrierten Artikel.

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