Was ist Nanobiotechnologie ?
Nanobiotechnologie ist der Überlappungsbereich zwischen Nanotechnologie
und Biotechnologie. Also, neuer Anlauf ...
Was ist Nanotechnologie ?
Nano kommt aus dem Griechischen und heisst Zwerg, bei den
Nanowissenschaften geht es dementsprechend um die Wissenschaft
vom ganz Kleinen. Um ein normales Meter zu erreichen, muss man 109
Nanometer aneinanderreichen, und genau das ist die typische Größe
von Atomen und Molekülen. Bei den Nanowissenschaften geht es also um
das Verstehen von Materie auf der Ebene von Atomen und Molekülen. Ein
experimenteller Nanowissenschaftler möchte Atome und Moleküle einzeln
manipulieren können, während ein theoretischer Nanowissenschaftler
gerne vorhersagen möchte, wie Materie sich auf dieser Längenskala
verhält. Das ist auf jeden Fall anders, als wir es von unserer Alltagswelt
gewohnt sind. Deshalb sind die Nanowissenschaften auch ein ganz neues Arbeitsgebiet,
das erst in den letzten Jahrzehnten durch neuartige Geräte möglich
wurde. Der Anfang wurde 1981 mit der Erfindung des Rastertunnelmikroskops
durch Rohrer und Binnig gemacht (Nobelpreis 1986). Seitdem es 1990 IBM-Wissenschaftlern
gelang, mit Hilfe dieses Geräts den Namenszug ihrer Firma als ein Muster
von Xenon-Atomen auf eine Nickeloberfläche zu schreiben, ist die Vision
der Nanowissenschaften, Atome einzeln zu manipulieren, Wirklichkeit geworden.
Nanotechnologie der Versuch, aus den Nanowissenschaften technologischen
Nutzen zu ziehen, d.h. neuartige Materialien Molekül für Molekül
aufzubauen (molecular manufacturing), und zwar im industriellen Maßstab
und möglichst billig. Noch in der Amtszeit von Präsident Clinton
haben deshalb die USA eine hochsubventionierte Nanoinitiative gestartet,
um ihrem Land auf diesem Gebiet einen wirtschaftlich verwertbaren Vorsprung
zu ermöglichen. Aus dem gleichen Grund hat die Nanotechnologie auch
höchste Priorität im 6. Rahmenprogramm der Europäischen Union
(das seit Ende 2002 in Kraft ist) und wird durch das Bundesministerium für
Wissenschaft und Bildung durch eine besondere Initiative gefördert (www.nanobio.de).
Warum überlappt Nano mit Bio ?
Während es für Wissenschaftler im Labor nach wie vor sehr schwierig
ist, Materie auf der Ebene von einzelnen Atomen und Molekülen gezielt
zu verändern, hat die Evolution genau das schon lange geschafft, weil
nämlich die Zellen, aus denen wir aufgebaut sind, gerade auf der Ebene
von einzelnen Molekülen (wie DNS, RNS und Proteine) funktionieren. Viele
wichtige Biomoleküle funktionieren wie kleine Maschinen, die unermüdlich
bestimmte Aufgaben erledigen, wie andere Biomoleküle zu erzeugen oder
zu transportieren. Zum Beispiel erzeugt die ATPase chemische Energie (das
Molekül ATP), die Ribosomen produzieren Proteine und die Kinesine schleppen
Lasten durch die Zelle. Nicht nur sind alle diese Biomoleküle in sich
Wunder der Schöpfung, außerdem ordnen sie sich wie von selbst
zu größeren Strukturen an (self-assembly), die dann Funktionen
erfüllen, die von den einzelnen Bestandteilen nicht erwartet werden
konnten. Ein tolles Beispiel sind unsere Muskeln: das sind Anordnungen von
verschiedenen Biomolekülen in regelmässigen Mustern, die koordiniert
zusammenarbeiten und dabei Kräfte erzeugen, die um viele Größenordnungen
größer sind als jene Kräfte, die ein Einzelmolekül erzeugen
kann. Und obwohl so ein Muskel ein Meisterwerk der Präzision und Wirtschaftlichkeit
ist, ist er außerdem noch ganz billig, da er auch von Tieren gebildet
wird, die im wesentlichen von Gras und Wasser leben. Deshalb träumt
der Nanobiotechnologe davon, so einen billigen und doch leistungsstarken
supramolekularen Komplex wie einen Muskel im Reagenzglas zu bauen. Aber so
schnell wird das nicht passieren, weil wir im Detail noch recht wenig davon
verstehen, wie die Natur ihre Nanostrukturen baut.
Warum wird so viel über Nanobiotechnologie geredet ?
Wie gesagt, der Hauptgrund ist die Hoffnung, damit einen ganz neuen und
sehr lukrativen Wirtschaftszweig ins Leben zu rufen. Eine denkbare Anwendung
ist zB eine neue Art von Computer, der mit einzelnen Atomen rechnet und deshalb
Rechenleistungen erreicht, die mit der derzeitigen Silizium-Technologie
undenkbar sind. Und wie bei jedem Wissensbereich, der mit den Biowissenschaften
zu tun hat, hofft man natürlich auch auf medizinische Fortschritte aus
diesem Forschungsbereich. Ein oft zitiertes Beispiel ist das Nano-U-Boot,
das man in die menschliche Blutbahn einsetzen könnte. Wegen seiner
winzigen Größe könnte es dann wie eine Blutzelle im ganzen
Körper herumschwimmen und Probleme beseitigen (zB rote Blutzellen reparieren).
Links sieht man eine Zeichnung mit dieser Version von 1988, rechts eine Computergraphik
gleichen Inhalts von 2002. Allerdings ist diese Version, die sich offensichtlich
noch nicht gross geändert hat, auch sehr umstritten: so wie dort abgebildet
werden Nanomaschinen nie funktionieren, aus theoretischen Gründen weiss
man genau, dass Nanomaschinen nie so gesteuert werden können wie U-Boote.
Die Natur weiss genau, dass die hydrodynamischen Gesetze in der Nanowelt ganz
andere sind, schliesslich haben Bakterien Fortbewegungsmechanismen entwickelt,
die ganz anders sind als bei unseren U-Booten, die aber (noch) nicht ausreichend
kontrolliert werden können, um sie technologisch zu verwerten.
Gefahren von Nanobiotech: das neue Buch Beute von Michael
Crichton
Es gibt aber noch einen weiteren Grund für die derzeitig sehr starke
Medienpräsenz dieses Themas: nämlich die Angst, dass hier Technologien
entwickelt werden, die eines Tages vom Menschen nicht mehr kontrolliert werden
können. Insbesondere könnte es sein, dass die Nanobiotechnologen
Nanomaschinen entwickeln (auch oft Nanoroboter, nanobots, genannt,
wie eben das Nano-U-Boot in der Blutbahn), die sich eigenständig replizieren
und zu einer Bedrohung der Menschen werden, ebenso wie der menschgemachte
Klimawechsel, Nuklearwaffentechnologie in den Händen von Terroristen
oder gentechnisch veränderte Organismen, die unkontrolliert in die freie
Natur kommen. Seit Ende 2002 gibt es zu diesem Thema einen spannenden
Thriller, Beute (auf Englisch Prey) von Michael Crichton
(hier
gibt es ein paar Besprechungen), der bestimmt bald auch als Hollywood-Film
in unsere Kinos kommen wird (ähnlich wie sein Buch Jurassic Park
über die Gefahren der Gentechnologie auch ein Blockbuster wurde). In
Beute geht es um eine Nanobiotech-Firma, die unter wirtschaftlichen
Druck bewusst eine unkontrollierte Kombination von Nanoteilchen und Bakterien
herstellt, die sich dann selbstständig macht und als selbstorganisierter
Schwarm von fliegenden Nanoteilchen die Menschen angreift. Der Autor kennt
sich nicht nur gut in der Wissenschaft aus, er schreibt auch sehr spannend,
deshalb ist der Anfang des Buches ganz gut gelungen, aber dann wird die
Geschichte leider immer fantastischer und auch unwissenschaftlicher. ZB
ist das Fliegen von kleinen Objekten ein ungelöstes wissenschaftliches
Problem (wie eben auch das Steuern des Nano-U-Boots), und es ist total unklar,
wie die Nanoteilchen miteinander kommunizieren sollten. Trotz oder gerade
wegen seines übertriebenen Inhalts hat dieses Buch aber viel Furore
gemacht und hat angeblich schon jetzt dazu geführt, dass in Grossbritannien
den Nanowissenschaftler finanzielle Mittel gestrichen wurden, was meines
Erachtens eine vollkommene Fehlentscheidung wäre.
Was ist wirklich dran an Nanobiotech ?
Schwer zu sagen. Das wirtschaftliche und medizinische Potential von Nanobiotechnologie
ist im Prinzip riesig, aber ob und wie es je ausgeschöpft werden kann,
ist noch ziemlich unklar, die Wissenschaftler auf jeden Fall wissen, wie
kompliziert biologische Systeme sind und das wir davon noch sehr vieles nicht
verstehen, geschweige denn kontrollieren. Andererseits oder gerade deshalb
bieten Nano- und Biowissenschaften einige der spannendsten Themen der zeitgenössischen
Wissenschaft. Die grösste Herausforderung in diesem Gebiet ist, dass
es herkömmliche Disziplingrenzen ueberschreitet, nur wenn Biologen,
Physiker, Chemiker und Ingenieure zusammenarbeiten, wird man hier Fortschritte
machen. Ich persönlich finde diese Herausforderung als eine tolle Motivation,
an solchen Themen zu arbeiten.
Noch etwas Geschichte und was zum Weiterlesen
- Die Geschichte der Nanowissenschaften begann am 29. 12. 1959 mit
einem Vortrag des Physik-Nobelpreisträgers Richard Feynmann
mit dem Titel There is plenty of room at the bottom (zu Deutsch:
Es gibt noch jede Menge Platz nach unten). In diesem Vortrag
sagte er: The principles of physics, as far as I can see, do not speak
against the possibility of maneuvering things atom by atom. Feymann
beschreibt, welche Informationsdichte man auf atomaren Niveau erreichen
kann und welche wirtschafltiche Möglichkeiten daraus folgen. Ausserdem
verweist er darauf, dass die Nature das mit der Speicherung des Erbgutes
in DNS schon kann, und sagt voraus, dass diese Verbindung zur Biologie ein
spannender Teil der Physik werden wird. Diesen Artikel kann man im Internet
im Orginal
lesen.
- Mitte der 80er Jahre schrieb ein junger Wissenschaflter namens Eric
Drexler ein visionäres Buch mit dem Titel Engines of Creation,
das ebenfalls im Orginal im Internet
zu finden ist, und zwar beim Forsight-Institut, das von Drexler geleitet
wird. In diesem Buch beschreibt er die Idee von Nanobiotech, dass also Biomoleküle
wie kleine Maschinen funktionieren und dass es in Zukunft möglich sein
sollte, diese systematisch zu bauen.
- Im April 2000 schrieb der Hauptentwickler der Computerfirma Sun,
Bill Joy (der unter anderem Java und Jini mitentwickelt
hat und in Informatik-Kreisen Kultstatus hat), einen Artikel fuer die Internet-Zeitschrift
Wired mit dem Titel Why the future doesn't need us,
in dem er die Angst vor den Nanowissenschaften schürte und der im Internet
im
Orginal gelesen werden kann. Er schrieb: Our most powerful 21st-century
technologies - robotics, genetic engineering, and nanotech - are threatening
to make humans an endangered species. Neben den physikalischen Wissenschaften
(Nano) und den Biowissenschaften bringt er noch die Informatik ins Spiel,
die unter den Stichworten artificial intelligence, artificial life
und distributed programming auch einige Entwicklungen zu
bieten hat, die Anlass zur Sorge sein können. Joy warnt davor, dass Computer
durch ausgeklügelte Programme und heute noch ungeahnte Speicherkapazitäten
zu mächtigen Robotern werden können, die sich dann selbst replizieren
und den Menschen verdrängen können (wie der Computer HAL in dem
Film 2001: A Space Odysee von Stanley Kubrick). Tatsächlich hat
Crichton genau diese Vision in seinem Buch übernommen, weil der Nanoschwarm
durch ein neuartiges Computerprogramm erst ermöglicht wird.
Geschrieben am 3. Februar 2003 von Ulrich Schwarz.
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