Kosmologie
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Die einzige Wechselwirkung, die auf kosmologischen Skalen wichtig ist,
ist die Gravitation. Die beste Beschreibung der Gravitation liefert
die Allgemeine Relativitätstheorie (ART). Deswegen müssen
physikalische Weltmodelle aus der ART konstruiert werden. Zwei
Symmetrieannahmen erleichtern dies wesentlich:
- Das Universum ist um uns herum isotrop, d.h. wir beobachten in
allen Richtungen dieselben mittleren Eigenschaften des
Universums.
- Es gibt keine ausgezeichneten Beobachter im Universum. Demzufolge
ist das Universum um jeden Punkt herum isotrop (sonst wären wir
ausgezeichnet), und damit ist es auch homogen.
Derart symmetrische Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen wurden
zuerst von Alexander Friedmann konstruiert. Wegen der Homogenität und
Isotropie hängen sie nur noch von der Zeit ab. Sie beschreiben die
zeitliche Änderung des so genannten Skalenfaktors, der angibt, um
wieviel der Raum sich vergrößert oder verkleinert.
Diese Friedmann-Modelle sind instabil, dehnen sich also entweder aus
oder ziehen sich zusammen. Um statische Weltmodelle zu ermöglichen,
führte Einstein die kosmologische Konstante ein, bevor Hubble
entdeckte, dass das Universum sich tatsächlich ausdehnt.
Die Friedmann-Modelle werden durch verschiedene Parameter
festgelegt. Dazu gehören die gesamte Materiedichte, die
Strahlungsdichte, die kosmologische Konstante und die heutige relative
Ausdehnungsrate des Universums, Hubble-Konstante genannt. Das
Verhalten der Friedmann-Modelle hängt ganz wesentlich von diesen
Parametern ab. Ihre Bestimmung ist eines der wesentlichen Ziele der
Kosmologie.
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Das Universum war früher sehr viel kleiner und damit heißer als
heute. Es enthielt Photonen, die zunächst an den geladenen Teilchen im
kosmischen Plasma gestreut wurden. Als das Universum auf 3000 Kelvin
abgekühlt war, entstanden Atome, und die Photonen konnten sich fast
ungehindert ausbreiten. Sie verloren Energie durch die Ausdehnung des
Universums, kühlten sich dadurch bis heute auf knapp 3 Kelvin ab,
umgeben uns aber in Form des kosmischen Mikrowellenhintergrunds
(Cosmic Microwave Background, CMB).
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Heutige Strukturen im Universum waren bereits angelegt, als der CMB
frei gesetzt wurde. Dadurch wurden dem CMB winzige
Temperaturschwankungen aufgeprägt. Aus den statistischen Eigenschaften
dieser Schwankungen können die kosmologischen Parametern sehr genau
bestimmt werden. Zurzeit beobachtet der amerikanische WMAP-Satellit
(Bild rechts) den Mikrowellenhimmel. Erste Ergebnisse (Bild oben
links) zeigen, dass das Universum räumlich flach ist, vor etwa 14
Milliarden Jahren entstand und zu etwa einem Drittel mit Dunkler
Materie gefüllt ist. Den Rest trägt die Kosmologische Konstante bei
oder eine andere unbekannte Form Dunkler Energie.
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Diese Ergebnisse werden durch eine Vielzahl anderer kosmologischer
Experimente unterstützt: Supernovae vom Typ Ia bestätigen die Dominanz
der kosmologischen Konstante,
Gravitationslinsen die Menge der Dunklen
Materie,
Galaxienhaufen hätten sich bei
größerer Materiedichte erst viel später entwickelt, die Art, wie die
Galaxienverteilung strukturiert ist, spricht für dieselbe geringe
Materiedichte usw. Zum ersten Mal in der Geschichte der physikalischen
Kosmologie gibt es ein präzise festgelegtes Standardmodell.
Damit wird das Urknall-Modell eindrucksvoll bestätigt, allerdings um
den Preis großer, ungelöster Fragen. Die wichtigsten davon sind:
Woraus besteht die Dunkle Materie? Sehr wahrscheinlich
besteht sie aus schwach wechselwirkenden Elementarteilchen. Neutrinos
kommen aber nicht in Frage, weil sonst kaum Strukturen entstanden
wären, die kleiner als Galaxienhaufen sind. Das Modell der Kalten
Dunklen Materie (Cold Dark Matter, CDM) ist das bei weitem
erfolgreichste.
Welche physikalische Bedeutung hat die Kosmologische Konstante?
Was ist die Dunkle Energie? Das Universum dehnt sich
beschleunigt aus, was in den Friedmann-Modellen durch die
Kosmologische Konstante ermöglicht wird. Möglicherweise sind geeignet
selbst-wechselwirkende Skalarfelder (Quintessenz, Dunkle Energie) die
Ursache.
Wie entstanden die Strukturen im Universum? Wir verstehen,
wie die vielfältigen Strukturen im Universum anwachsen konnten, aber
nicht, woher sie kamen. Das Modell der kosmologischen Inflation
erklärt den Ursprung der kosmischen Strukturen aus
Quantenfluktuationen im sehr frühen Universum. Das Bild rechts zeigt
eine Simulationsrechung zum Anwachsen kosmischer Strukturen aus
Dunkler Materie.
Warum ist der CMB derart isotrop? Der CMB entstand etwa
400.000 Jahre nach dem Urknall. Bis dahin standen Gebiete nicht
miteinander in kausalem Kontakt, die von einander mehr als 400.000
Lichtjahre entfernt waren. Trotzdem ist die Temperatur des CMB am
ganzen Himmel fast gleich. Wie war das möglich? Auch darauf gibt die
kosmologische Inflation eine mögliche Antwort.
Wie entwickeln sich Strukturen ganz verschiedener Größe? Wie
entstanden die ersten Sterne, Galaxien, schwarzen Löcher,
Galaxienhaufen usw. in einem Universum, das durch Dunkle Materie und
Dunkle Energie bestimmt wird? Wie können wir aus dem wenigen Licht,
das wir sehen, Aussagen über Dunkle Materie und Dunkle Energie
gewinnen?
Verantwortlich: Matthias Bartelmann