Galaxienhaufen

Galaxien sind nicht gleichmäßig über den Himmel verteilt (rechtes
Bild). Es gibt kleine Gebiete hoher Galaxiendichte und große Gebiete,
in denen nur relativ wenige Galaxien stehen. Die Verteilung der
Galaxien am Himmel zeigt eine netzartige Struktur, in der dünne Wände
und Filamente große Leerräume umschließen. Galaxienhaufen bilden die
Knoten dieses Netzes.
Das Bild rechts zeigt einen Teil der Galaxienverteilung, die der
2dF Galaxy Redshift Survey
gemessen hat.

Einzelne Galaxienhaufen enthalten einige hundert bis tausend
Galaxien. Das Bild links zeigt den Coma-Haufen. Fast alle Objekte sind
Galaxien, die meisten davon sind elliptisch. Spiralgalaxien sind in
Galaxienhaufen selten. Typische Durchmesser für Galaxienhaufen sind
einige Megaparsec (1 Mpc = 3.3 Millionen Lichtjahre).
Die Galaxien bewegen sich in den Galaxienhaufen mit Geschwindigkeiten
bis etwa 1000 km/s. Damit brauchen sie einige Milliarden Jahre, um
typische Galaxienhaufen zu durchqueren.
Fritz Zwicky fand schon um 1930, dass die Masse aller Galaxien im
Coma-Haufen zusammen genommen bei Weitem nicht reicht, um die Galaxien
aneinander zu binden. Er schloss daraus, dass etwa 90% der Materie in
Galaxienhaufen nicht leuchtet, also Dunkle Materie ist. Galaxienhaufen
haben typische Massen zwischen 10
14 und 10
15
Sonnenmassen.

Mit den ersten Röntgenteleskopen wurde entdeckt, dass Galaxienhaufen
intensive Röntgenstrahler sind. Die Röntgenstrahlung ist nicht auf
einzelne Galaxien konzentriert, sondern diffus über die Galaxienhaufen
verteilt. Diese Strahlung wird von heißem Gas emittiert, das die
Galaxienhaufen anfüllt. Es hat Temperaturen von 10
7 bis
10
8 Kelvin. Das Bild rechts zeigt die Röntgenemission des
Coma-Haufens.
Die Röntgenemission ist äußerst wichtig, um die Massenverteilung und
Dynamik der Galaxienhaufen zu entschlüsseln. Moderne Röntgenteleskope
wie Chandra und XMM haben detaillierte Strukturen in den Kernen von
Galaxienhaufen gefunden.

Der kosmische Mikrowellenhintergrund (Cosmic Microwave Background,
CMB) durchleuchtet das heiße Gas in Galaxienhaufen. Dabei werden die
Photonen des CMB zu höheren Energien hin gestreut. Das führt zu einer
geringfügigen Verzerrung des Planck-Spektrums des CMB, denn nach der
Streuung fehlen Photonen bei geringen Energien und tauchen bei hohen
wieder auf. Der Nullpunkt dieses thermischen Sunyaev-Zeldovich-Effekts
liegt bei 217 GHz (etwa 1 mm Wellenlänge). Bei niedrigeren Frequenzen
werfen Galaxienhaufen einen Schatten, bei höheren leuchten sie. Dieser
Effekt erlaubt, Galaxienhaufen bis zu sehr großen Entfernungen zu
sehen.
Das Bild links zeigt die Röntgenemission des Galaxienhaufens Abell
2163 (Farbe), überlagert von den Konturen des
Sunyaev-Zeldovich-Effekts.

Galaxienhaufen sind von weiträumigen Magnetfeldern durchzogen. Dies
wird dadurch sichtbar, dass ein magnetisiertes Plasma optisch
doppelbrechend wird. Wenn es sich parallel zum Magnetfeld ausbreitet,
erfahren rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht andere
Brechungsindizes. Dies führt zu einer Drehung der
Polarisationsrichtung linear polarisierten Lichts. Diese so genannte
Faraday-Rotation ist messbar, weil der Grad der Drehung von der
Wellenlänge des polarisierten Lichts abhängt. Messungen der
Faraday-Rotation sind schwierig, erlauben aber, die Magnetfeldstruktur
im Inneren von Galaxienhaufen zu untersuchen. Das Bild rechts zeigt
das Faraday-Rotationsmaß in einem simulierten Galaxienhaufen (rot und
blau stellt verschiedene Drehrichtungen dar).
Galaxienhaufen entstehen, indem kleinere Objekte verschmelzen. Solche
Verschmelzungsprozesse sind sehr energiereich und finden oft mit
Überschallgeschwindigkeit statt. Dadurch werden Stoßwellen in
das Haufenplasma getrieben, an denen Elektronen auf relativistische
Energien beschleunigt werden. Diese Elektronen spiralen um die
Magnetfeldlinien und emittieren Synchrotronstrahlung, die als diffuse
Radiostrahlung in Galaxienhaufen messbar ist.
Durch ihre große Masse lenken Galaxienhaufen auch Licht ab. Sie wirken
als
Gravitationslinsen.
Verantwortlich: Matthias Bartelmann